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Konflikte sind allgegenwärtig und oft unvermeidbar. Sie entstehen dort, wo Menschen, Werte und Interessen aufeinandertreffen. Im professionellen Kontext unter Führungskräften, in Teams oder Organisationen können sie bedeutsame Auswirkungen haben – sowohl konstruktiver als auch destruktiver Natur. Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl hat mit seinem Eskalationsstufenmodell eine wissenschaftlich fundierte und vielfach bewährte Methodik geschaffen, um den Verlauf von Konflikten präzise zu analysieren und Interventionsmöglichkeiten abzuleiten.[1][2][3]

Sein Modell basiert auf der Erkenntnis, dass Konflikte einer Dynamik folgen, deren destruktive Energie mit jeder Eskalationsstufe zunimmt. Glasl identifiziert insgesamt neun Eskalationsstufen, die jeweils auch bestimmte Möglichkeiten und Grenzen der Konfliktlösung markieren. Die zentrale Botschaft: Je weiter ein Konflikt eskaliert, desto weniger sind die Parteien in der Lage, ihn selbstständig zu lösen. Ab bestimmten Stufen ist professionelle externe Hilfe notwendig.[3][1]

Deeskalation, Führung, Interventionen, Kommunikation, Konfliktmanagement, Mediation, Organisationsentwicklung, Prozessbegleitung, Streitkultur, Teamdynamik | Antje Liebe | Fortbildungen, Weiterbildungen, Workshops, Seminare, Beratungen, Coachings

Die Drei Ebenen der Eskalationsstufen

Glasl gliedert sein Modell in drei Hauptphasen, die auch den Handlungsspielraum der Beteiligten definieren:

  • Win-Win-Ebene (Stufen 1-3): Beide Parteien können den Konflikt gewinnbringend lösen.
  • Win-Lose-Ebene (Stufen 4-6): Nur eine Seite gewinnt, die andere verliert.
  • Lose-Lose-Ebene (Stufen 7-9): Am Ende verlieren alle, bis hin zur gegenseitigen Vernichtung.[4][5][1]

Diese Phasen gliedern sich in die neun Eskalationsstufen, die Glasl als „hinabführende Treppe“ beschreibt – je tiefer, desto primärer und unmenschlicher werden die Methoden, mit denen ein „Sieg“ errungen werden soll.[2][1]

Win-Win-Ebene: Stufen 1–3 – Der Konflikt ist noch steuerbar

In der ersten Phase sind Hoffnung, Dialogfähigkeit und Lösungsorientierung noch präsent.

Stufe 1: Verhärtung

Konflikte beginnen mit ersten Spannungen, widersprüchlichen Standpunkten und unterschwelligen Meinungsverschiedenheiten. Häufig werden diese ignoriert oder verdrängt. Kommt es zu keiner Klärung, „verhärtet“ sich die Atmosphäre – kleine Irritationen werden überbewertet, die Kommunikation bleibt jedoch grundsätzlich möglich. In dieser Stufe helfen offene Gespräche und Moderation, die Verhärtung zu lösen.[6][1]

Stufe 2: Debatte & Polemik

Die Diskussionskultur verschärft sich. Die Konfliktparteien entwickeln Strategien, um „Recht zu behalten“. Argumente werden polarisiert, Debatten werden hitziger. Das Zugehörigkeitsgefühl zur Gegenseite sinkt. Ein misslingender Dialog kann zum Streit führen; dennoch sind sachliche Lösungsansätze und professionelle Moderation hier erfolgversprechend.[7][1][2]

Stufe 3: Taten statt Worte

Das Vertrauen in die Wirkung von Gesprächen schwindet. Aktionen ersetzen Argumente – zum Beispiel demonstratives Verhalten, Nichtbeachtung, Absprachen werden gebrochen. Empathie mit dem Gegenüber nimmt ab, Interpretationen werden destruktiv. Interventionen durch neutrale Moderation sind jetzt besonders wichtig.[1][4]

Win-Lose-Ebene: Stufen 4–6 – Verluste zeichnen sich ab

Mit Überschreiten dieser Schwelle steht die Eskalation im Vordergrund.

Stufe 4: Sorge um das Image/Konfliktkoalitionen

Die Parteien beginnen, Feindbilder und negative Klischees zu kultivieren. Koalitionen werden gegründet; jede Seite sucht Verbündete und verstärkt sich im Kampf gegen die Konkurrenz. Dynamik und Verhaltensmuster sind jetzt von Macht und Kontrolle geprägt. Prozessbegleitung oder Intervention werden dringend empfohlen.[6][1]

Stufe 5: Gesichtsverlust

Das Ziel ist nicht mehr nur der Sieg – sondern die öffentliche Demütigung des Gegners. Die Identität und Glaubwürdigkeit der anderen Partei werden in Frage gestellt oder öffentlich angegriffen. Misstrauen und fehlende Rücksicht prägen das Geschehen; die Beziehungsebene ist gestört. Die Option zur Objektsprache ist kaum noch vorhanden; professionelle Vermittlung wird unerlässlich.[2][6]

Stufe 6: Drohstrategien

Ultimaten und Drohungen sind nun zentrale Werkzeuge. Die Konfliktparteien versuchen, durch Eskalation Kontrolle zurückzugewinnen. Die Bereitschaft zum Machtkampf steigt, und die Eskalation nimmt Fahrt auf. Die Konfliktparteien greifen zu immer drastischeren Mitteln; Mediation als außenstehende Intervention kann noch helfen.[1][2]

Lose-Lose-Ebene: Stufen 7–9 – Die totale Konfrontation

Hier ist der Konflikt nicht mehr steuerbar durch die Beteiligten. Es droht die gegenseitige Vernichtung.

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Der Gegner wird entmenschlicht: Es geht nur noch darum, Schaden zuzufügen – selbst, wenn der eigene Nachteil damit in Kauf genommen wird. Gewalt als legitimes Mittel nimmt zu. Schiedsverfahren oder gerichtliche Verfahren sind oft die einzige Möglichkeit zur Intervention.[8][2][1]

Stufe 8: Zersplitterung

Die Zerstörung der Unterstützersysteme des Gegners steht im Mittelpunkt. Hier sind alle Mittel recht, um das „System“ der Gegenseite zu zerschlagen oder zu zersetzen. Kooperation oder ein Ausstieg sind kaum mehr möglich; Interventionen durch Machteingriff werden erforderlich.[9][1]

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Die ultimative Eskalationsstufe: Die Konfliktparteien akzeptieren eigene Verluste oder sogar Vernichtung, solange der Gegner ebenfalls untergeht. Es besteht keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung; externe Machteingriffe sind erforderlich, um weiteren Schaden zu begrenzen.[7][2][1]

Interventionen und Prävention: Was Führungskräfte wissen müssen

Das Eskalationsstufenmodell zeigt nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen. Gerade in frühen Stufen können Konflikte konstruktiv gewendet werden:

  • Stufe 1–3: Moderation und Prozessbegleitung sind entscheidend.[1]
  • Stufe 3–5: Prozessbegleitung mit professioneller Unterstützung kann helfen.
  • Stufe 4–6: Sozio-therapeutische Begleitung ist ratsam.
  • Stufe 5–7: Mediation und gerichtliche Verfahren werden notwendig.
  • Stufe 6–8: Wenn nichts mehr hilft, sind Machteingriffe oder gerichtliche Verfahren die letzte Option.[2][1]

Das frühzeitige Erkennen von typischen Anzeichen (Spannungen, Polarisierungen, Drohungen) ist die Voraussetzung für erfolgreiches Konfliktmanagement. Führungskräfte profitieren von fundiertem Wissen aus Glasls Eskalationsstufen-Modell, um rechtzeitig entgegenzusteuern und Eskalationen zu vermeiden.

Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Bedeutung

Das 9-Stufen-Modell von Friedrich Glasl ist wissenschaftlich fundiert und sowohl theoretisch als auch praktisch relevant. Seine Werke „Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater“ sowie „Konfliktmanagement. Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen“ gehören zu den Standardwerken in der Konfliktforschung und finden breite Anwendung in Wirtschaft, Politik, Sozialwesen und Organisationsentwicklung.[10][11][12][3][2][1]

Glasl beschreibt in seinen Büchern nicht nur die Eskalationsstufen, sondern liefert auch detaillierte Interventionsmethoden und stellt mögliche Wendepunkte zwischen den Stufen dar. Die Fähigkeit, Eskalationsprozesse frühzeitig zu erkennen, gilt als Schlüsselfaktor für erfolgreiche Teamführung und Entwicklungen in Organisationen.

Die Fünf Kernmechanismen der Eskalationsstufen nach Glasl

Für eine wirkungsvolle Deeskalation ist es entscheidend, die dahinterliegenden Mechanismen zu kennen. Glasl benennt fünf Kernaspekte, die einen Konflikt antreiben:

  • Zunehmende Projektion bei wachsender Selbstfrustration
  • Selbstverstärkende Eskalationsdynamik
  • Wahrnehmungsverzerrungen und selektive Interpretation
  • Polarisierung von Gruppen und Bilden von Koalitionen
  • Emotionale Aufladung bis hin zur Affektlogik[13][2][1]

Das gezielte Bearbeiten dieser Dynamiken ermöglicht einen konstruktiven und lösungsorientierten Umgang mit Konflikten.

Fazit und Handlungsimpulse

Das Eskalationsstufenmodell nach Glasl ist mehr als ein Diagnoseinstrument. Es ist ein Handlungsleitfaden für kompetente und wertschätzende Führung, wirksame Kommunikation und konstruktive Konfliktbearbeitung. Nur wer die Dynamik hinter den Stufen versteht und frühzeitig reagiert, kann Eskalationen verhindern, destruktive Prozesse stoppen und Konflikte für positive Entwicklungen nutzen. Mut und Offenheit sind dabei der Schlüssel – ganz nach Glasl: „Nur durch Mut kann dem Konflikt eine positive Wendung gegeben werden.“

Sie möchten mehr über Konfliktmanagement, Mediation oder Teamdynamik erfahren? Nutzen Sie die Empfehlungen weiterführender Literatur oder wenden Sie sich direkt an uns.

Weiterführende wissenschaftliche Literatur zu den Eskalationsstufen

  • Friedrich Glasl: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Haupt Verlag, Bern/Stuttgart 2013.[11][12][10][2][1]
  • Friedrich Glasl: Konfliktmanagement. Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen. Haupt, Bern/Stuttgart 1980.[1]
  • Alexander Redlich: Konfliktmoderation in Gruppen. Windmühle, Hamburg 2009.
  • Wissenschaftliche Fachzeitschriften und Aufsätze zur Eskalationsdynamik.[13]

Quellen:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Phasenmodell_der_Eskalation                 
  2. https://www.socialnet.de/rezensionen/250.php          
  3. https://www.isbn.de/buch/9783772528125/konfliktmanagement  
  4. https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/softskills/kommunikation/konflikte/konflikteskalation-nach-glasl/ 
  5. https://www.fritz.tips/konfliktarten-nach-friedrich-glasl
  6. https://www.sicherheitneudenken.de/media/download/variant/272459/friedrich-glasl-9-stufen-der-konflikt-eskalation.pdf  
  7. https://www.politikundunterricht.de/1_18/konflikte.pdf 
  8. https://www.me-company.de/magazin/eskalationsstufen-win-win/
  9. https://www.efas-web.de/files/teges/Teges_Handout_Konflikt_FINAL_SCREEN.pdf
  10. https://www.sack.de/glasl-konfliktmanagement/9783772528132 
  11. https://www.buchkatalog.de/konfliktmanagement-9783772528132 
  12. https://www.lehmanns.de/shop/wirtschaft/64862884-9783772528132-konfliktmanagement 
  13. https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2193-0147-2014-3-190.pdf?download_full_pdf=1 

Dieser Artikel erschien zuerst in geänderter Form auf meinem anderen Blog „Coaching mit Pferden Harz“ unter www.coaching-mit-pferden-harz.de/eskalationsstufen-nach-glasl.

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